

Das ist meine Geschichte...
Mein Name ist Simon, ich bin 28 Jahre alt und schreibe euch meine Geschichte hier auf. Das Thema Depression begleitet mich nun seit ca. 2 Jahren und hat in meinem Leben einiges verändert.
Meine Geschichte ...
Anfangs 2021 fing ich eine neue Stelle an. Es gefiel mir gut, ich wurde gefordert, konnte Verantwortung übernehmen und ich verdiente endlich wieder Geld. Mit meinem Chef war es nicht immer einfach, da wir Kommunikationsprobleme hatten. Dennoch gefiel mir alles in allem gut.
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Ein Jahr später erkrankte ich an Covid 19 und erholte mich nur schlecht. Ich ging nach meinem positiven Resultat direkt zum Arzt, da ich einen ungewöhnlichen Druck auf der Brust verspürte, und lies meine Lungen und Blutwerte überprüfen. Ich hatte Angst vor Long COVID da ich danach evtl. keinen Sport mehr machen könnte. Der Arzt sagte mir, ich soll meine Lunge schonen, um sich zu regenerieren. Ich verzichtete einen Monat auf Sport. Als ich wieder zum Arzt ging, sagte er mir, ich sei körperlich wieder topfit es sei vermutlich psychosomatisch und er empfiehlt mir wieder Sport zu machen. Ich verspürte den Druck auf der Brust weiterhin, fing jedoch wieder an Sport zu machen und der Druck auf der Lunge löste sich langsam.
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Durch die schlechte Erholung blieb ich Teilzeit krankgeschrieben und konnte somit Dinge meiner To-do-Liste nicht termingerecht erledigen. Da ich der Einschätzung des Arbeitsunfähigkeitszeugnisses nicht gerecht wurde, zeigt mein Chef wenig Verständnis und meine eigenen Erwartungen schienen mich fast zu erdrücken. Ich fühlte mich nicht gut da ich die To-do's nur langsam abarbeiten konnte. Meine Lunge spielte immer noch nicht komplett mit und ich fiel in ein tiefes Loch. Ich wusste, dass ich mir Hilfe holen muss, denn dies war der Anfang meiner Depression. Ich ging zu meinem Hausarzt und dieser stellte mir die Diagnose Burnout mit einer Folgedepression und so bekam ich Antidepressiva verschrieben. Diese waren zu Beginn viel zu hoch dosiert und ich hatte starke Nebenwirkungen (z.B. Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfweh und manische Energieschübe).
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Ich wurde durch mehrere Fachstellen unterstützt (Krankentaggeldversicherung - Case Manager, Arbeitspsychologin, Hausarzt und IV). Parallel suchte ich mir eine Therapeutin und besuchte diese. Bei ihr fiel uns auf, dass ich ein sehr schlechtes Selbstwertgefühl habe. Somit begannen wir mit einem autogenen Training und be-/ verarbeiten meine Vergangenheit. Ich kam mir beim ersten Mal ein bisschen seltsam vor, als sie sagte, ich solle mir „mich als kleinen Jungen“ vorstellen und mit ihm (mir) in Verbindung treten. Ich solle Kontakt zu „mir“ aufnehmen, mit „mir“ sprechen, spielen und die Gefühle meinem jüngeren Ich gegenüber zulassen. Die Therapeutin stellte schnell fest, dass ich zu meinem 3-4-Jährigen Ich eine gute Verbindung aufbauen konnte. Ich habe mit ihm gespielt, wusste was sagen und wie ich mich verhalten sollte und ich hatte Freude dabei. Als wir dann zu meinem 8-jährigen Ich kamen, fehlte mir der Zugang. Ich wusste nicht, was ich mit dem Jungen sprechen soll, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll und ich mochte „ihn“ nicht. Meine Therapeutin fragte provokativ nach, was so ein kleiner Junge brauchen würde. Erst dann konnte ich „ihn“ umarmen. Uns wurde in der Sitzung klar, dass ich das männliche Geschlecht nicht mag, einen sehr grossen Minderwertigkeitskomplex daraus getragen habe und mich somit seit dem Kindesalter selbst nicht ausstehen konnte. Dies müssen wir aufarbeiten und in ein gesundes Gleichgewicht bekommen, damit ich mir selbst und meinen gleichgeschlechtlichen Mitmenschen Vertrauen entgegenbringen kann.
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Ich bin in meiner Familie der Jüngste und dies trug wesentlich zu meinem Minderwertigkeitskomplex bei. Als Kind, Jugendlicher wie auch als Erwachsener konnte ich nie etwas als erster erreichen, nach Hause bringen oder durchführen, was nicht schon jemand in unserer Familie erreicht hat. Ich verglich mich mit meinen Geschwistern, konnte Dinge im besten Falle nur ebenfalls erreichen und konnte mir selbst nicht genügen. Meinen Eltern war dies nicht wichtig, sie waren sehr fair zu uns und freuten sich bei allen Kindern genau gleich. Die Grösse des Erfolges und ob sie dies schon bei einem anderen Kind erlebt hatten, spielte ihnen dabei keine Rolle.
Mit meiner Therapeutin, welche sich eher als Lifecoachin sieht, arbeite ich daran. Sie ist eher mit alternativen Therapiemöglichkeiten vertraut und somit ist es ein Fernziel die Depression ohne Antidepressiva (Sertralin – Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) zu meistern. Diese haben bei mir eine Wirkung der Gefühlslosigkeit oder Gefühlsunterdrückung ausgelöst. Ich erlebe meine depressiven Phasen zwar, ohne das Tief zu sehr zu fühlen, das Hoch bei den Glücksgefühlen wird jedoch auch unterdrückt. Die Depression löst in mir Antriebslosigkeit, Entscheidungsschwierigkeiten, Kontrollverlust, Angst, Konzentrationsschwäche und Schlafstörungen aus.
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Während meines Heilungsprozesses wurde ich auch noch gekündigt. Obwohl ich von acht auswärtigen Personen professionelle Unterstützung zu meiner Krankheit bekommen habe, war mein Arbeitgeber der Meinung, dass ich mehr Engagement zum Heilungsprozess hätte beitragen können. Dieser Kündigungsgrund kam für mich überraschend, da mein ehemaliger Chef früher selbst an Depressionen litt und die beschränkten Energieressourcen kennen sollte. Im Kündigungsgespräch erwähnte mein Chef, dass ich nicht ehrlich gewesen bin, was meine Krankheit angeht und dass ich mit allen vier Parteien (Arbeitgeber, Arzt, Psychologe und Case Manager) unterschiedlich kommuniziert habe. Dies trifft nicht zu, jedoch da ich die Psychologin der ärztlichen Schweigepflicht entbunden habe, hat sie meinem Case Manager ihre Diagnose erzählt, ohne dass ich die Diagnose kannte. Dies wurde mir dann am Kündigungsgespräch vorgeworfen. Was ich daraus lernt, habe ist, dass die Kommunikation über mich laufen sollte, da ich die erkrankte Person bin und es um mich geht. Und dass ich Fachpersonen nicht blind vertrauen soll/muss.
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Was ich mir von meinem Umfeld und der Gesellschaft noch wünsche, ist vor allem, dass ich kein Mitleid benötige. Ich bin nicht aus Porzellan, ich bin krank. Wenn ich funktioniere, kann ich es und dann erwarte ich, dass es mir zugetraut wird. Wenn es nicht geht, liegt es an mir dies zu sagen und ich bin froh um hundertprozentige Übernahme der Aufgabe. Für mich ist es ein Lernfeld, Dinge abzugeben, wenn ich es dann aber delegiere, muss es ohne mich klappen.
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Beim Erzählen von meiner Krankheit bin ich kaum auf Widerstand, Ablehnung oder Unverständnis gestossen. Ich habe von einigen erfahren, dass sie ebenfalls an einer Depression leiden oder gelitten haben und somit entwickelten sich tolle und wertvolle Gespräche. Viele überraschte es jedoch, dass ich als Vorbildfunktion, als Trainer, als Teamkamerad, als Bruder, als Kind, als unterstützender Freund und als erwachsener Mann, an einer Depression erkrankt bin.